Newsletter vom 26. Oktober 2020
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Staatsbibliothek Bamberg,
fast gleichzeitig mit der Wiedereröffnung des aufwendig sanierten Kaisersaals der Neuen Residenz in Bamberg erwarb die Oberfrankenstiftung jüngst zwei Zeichnungen, die Teile der Scheinarchitektur eines barocken Deckengemäldes zeigen. Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um Entwürfe, die der Freskenmaler Melchior Steidl (1657–1727) für den kurz nach 1700 vollendeten Festsaal vorlegte. Die größere der beiden Zeichnungen ist vermutlich die früheste bekannte Zeichnung für den Kaisersaal. Wir freuen uns sehr, dass die Oberfrankenstiftung die Entwürfe der Staatsbibliothek als Leihgaben überlassen hat, wo sie nun dauerhaft für Forschung und Öffentlichkeit zugänglich sind.
Melchior Steidl malte den Bamberger Kaisersaal von 1707 bis 1709 aus und erreichte damit einen Höhepunkt seiner Laufbahn. Allerdings unterscheiden sich die Entwürfe in mehreren Elementen vom letztlich ausgeführten Deckengemälde. Die auf den Blättern eingetragenen Maße stimmen jedoch mit dem Bamberger Saal überein. Dies lässt darauf schließen, dass Steidl die Entwürfe nochmals überarbeitete. Es ist bekannt, dass der Auftraggeber, Fürstbischof Lothar Franz von Schönborn, selbst Änderungen forderte. Dank moderner Technik müssen Sie nicht in die Residenz kommen, um die Entwürfe mit den ausgeführten Gemälden zu vergleichen. Denn vom heimischen PC aus können Sie sich jederzeit auf eine virtuelle Entdeckungstour durch den Kaisersaal begeben.
Die zentrale Deckenmalerei im Kaisersaal, die sich über 640 Quadratmeter ausdehnt, zeigt den Triumphzug der Weisheit als Allegorie der guten Herrschaft. Durch die illusionistische Erweiterung der Architektur in den Deckenhimmel hinein entfaltet der zwar große, aber sehr niedrige Raum eine enorme Wirkung. Steidl freskierte den Saal außerdem mit überlebensgroßen Kaiserbildnissen sowie mit Allegorien der vier antiken Weltreiche. Der in Innsbruck geborene Steidl hatte sein Handwerk beim Münchener Hofmaler Johann Anton Gumpp erlernt (1654–1719) und gilt als einer der bedeutendsten Freskenmaler des süddeutschen Barocks. Steidls italienisch geschulter Stil traf den Geschmack vieler kirchlicher Auftraggeber in Österreich, Bayern, Franken, Hessen und Schwaben, die ihm Aufträge für Deckengemälde erteilten. Aufwendige illusionistische Architekturen sind ebenso wie hart konturierte Figuren mit meist typisierten Gesichtern charakteristisch für sein Werk.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Erkunden der Bamberger Residenz!
Ihr Team der Staatsbibliothek Bamberg